Gesundheitsrecht-Newsletter Nr. 10, 07/2009

Gesundheitsrecht-Newsletter Nr. 10, 07/2009

1. Wichtige EuGH-Entscheidung für die Kräuterkunde vom 5.3.2009
2. OGH: Ist die Klärung eines Krankheitsverdachtes Krankenbehandlung?
3. Mein Verständnis von Gesundheitsrecht


WICHTIGE EUGH-ENTSCHEIDUNG FÜR DIE KRÄUTERKUNDE VOM 5.3.2009

Mit dem Urteil des EuGH (Erste Kammer) vom 5. März 2009 (C-88/07) im Verfahren Kommission der Europäischen Gemeinschaften gegen Königreich Spanien wegen einer Vertragsverletzungsklage - Art. 28 EG und 30 EG - Richtlinie 2001/83/EG wurde Spanien verurteilt. Aus den Schriftsätzen der Kommission geht hervor, dass sie den spanischen Behörden eine Verwaltungspraxis vorwirft, der zufolge Erzeugnisse auf der Basis von Arzneipflanzen, die in anderen Mitgliedstaaten rechtmäßig als Nahrungsergänzungsmittel oder diätetische Erzeugnisse hergestellt und/oder auf den Markt gebracht worden seien, systematisch als Funktionsarzneimittel eingestuft und mangels Zulassung vom spanischen Markt genommen würden.
Der EuGH entschied: Es ist möglich, dass sich ein Erzeugnis auf der Basis von Arzneipflanzen z.B. aufgrund seiner geringen Menge an Wirkstoffen und/oder der Modalitäten seines Gebrauchs nicht oder zu wenig auf die physiologischen Funktionen auswirkt, um ein Funktionsarzneimittel zu sein. Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie 2001/83 ist nämlich dahin auszulegen, dass diese Richtlinie nicht auf ein Erzeugnis anzuwenden ist, dessen Eigenschaft als Funktionsarzneimittel wissenschaftlich nicht nachgewiesen ist, auch wenn sie nicht ausgeschlossen werden kann.

Auf Wunsch versende ich das Urteil in voller Länge als word-Datei.


OGH: IST DIE KLÄRUNG EINES KRANKHEITSVERDACHTES KRANKENBEHANDLUNG?

Mit dieser Frage hatte sich der OGH in seiner Entscheidung vom 27.1.2009 (10 ObS 99/08v) auseinander zu setzen:
Die 17-jährige Tochter des Klägers war nach dem Konsum alkoholischer Getränke von der Rettung in ein Krankenhaus eingeliefert worden. Als Vorsichtsmaßnahme wurde im Krankenhaus eine Blutabnahme durchgeführt, weil die Ärzte zu diesem Zeitpunkt nicht wissen konnten, was die Minderjährige alles eingenommen hatte und nachträglich zu einem kritischen behandlungsbedürftigen Zustand hätte führen können (wie z.B. Opiate oder ähnliches). Da sich dabei herausstellte, dass bei ihr nur ein alkoholisierter Zustand (1,5 Promille) vorlag, verblieb die Minderjährige bis zur Ausnüchterung am Morgen im Krankenhaus. Zur Beschleunigung der Ausnüchterung bekam sie eine Infusion.
Der vom Kläger gegen die beklagte Gebietskrankenkasse geltend gemachte Anspruch auf Gewährung von Anstaltspflege für seine Tochter wurde von den Vorinstanzen abgewiesen.
Der Oberste Gerichtshof hob die Entscheidungen der Vorinstanzen auf. Er vertrat zusammengefasst die Auffassung, dass bis zur Klärung des Krankheitsverdachtes ein Anspruch auf Krankenbehandlung bzw. Anstaltspflege bestanden hat. Da sich durch die Untersuchungen jedoch herausstellte, dass lediglich eine Alkoholisierung der Minderjährigen vorlag, die allein der Ausnüchterung bedurfte, ist der Anspruch auf Krankenbehandlung bzw. Anstaltspflege erloschen und der Versicherte hat die nach Abschluss der Diagnose anfallenden Kosten der Anstaltspflege für seine Tochter selbst zu tragen. Dies bedeutet, dass die Laborkosten für die Diagnose und allenfalls auch die Kosten des Rettungseinsatzes die Sozialversicherung zu tragen hat. Ab dem Zeitpunkt, ab dem klar war, dass die Minderjährige nichts anderes als alkoholisiert war, hat aber ihr Vater für die Kosten der Anstaltspflege aufzukommen.
Das Fazit in rechtlicher Hinsicht:
Ein Krankheitsverdacht ist dann dem Versicherungsfall der Krankheit zuzurechnen, wenn er sich durch objektiv diagnostizierbare Symptome äußert, unabhängig davon, ob sich im Nachhinein der Krankheitsverdacht bewahrheitet oder nicht.
Das Fazit in praktischer Hinsicht:
Eine versicherte Person, die tatsächlich nicht krank ist, sich aber aus irgendeinem Anhaltspunkt krank fühlt, kann „auf Kassakosten" einen Arzt aufsuchen.


MEIN VERSTÄNDNIS VON GESUNDHEITSRECHT

Nur ein geringer Teil der menschlichen Gesundheit ist durch medizinische Maßnahmen beeinflussbar. Genetische Faktoren, vor allem aber die Umweltbedingungen und der Lebensstil (Bewegung, Ernährung) sind weit bedeutender. Gesundheitsrecht kann daher nicht ausschließlich (wohl aber auch) Medizinrecht sein. Ich lege meinen Schwerpunkt in der Beschäftigung mit dem Gesundheitsrecht auf die Übergangsbereiche zwischen gesund und krank und folge einem salutogenetischen Ansatz: Während in der Pathogenese das Krankheitssymptom beschrieben und „bekämpft“ wird, sucht die Salutogenese eine Antwort auf die Frage „Wie entsteht Gesundheit?“
Daher beschäftige ich mich z.B. mit folgenden Rechtsbereichen intensiv:
- Freizeitsportrecht
- Fitnessanlagenrecht
- Wellnessrecht
- Bäderhygienerecht
- Kuranstaltenrecht
- Gesundheitshotellerierecht
- Risikosportrecht
- Tabakrecht
- Nahrungsergänzungsmittelrecht
- Kräuterrecht
- Präventivmedizinrecht
- Reisemedizinrecht
Wenn Sie zum einen oder anderen Thema eine Projektidee haben, würde ich mich freuen, wenn Sie mich kontaktieren würden.

Dieser Newsletter ergeht an Kunden und Freunde von Wolfgang Stock, Büro für Freizeitrecht. Sollten Sie den Gesundheitsrecht-Newsletter in Zukunft nicht mehr erhalten wollen, bitte an wolfgang.stock@gmx.at zu mailen.

Einen schönen und gesunden Sommer!

Mit lieben Grüßen
Wolfgang Stock

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