Gesundheitsrecht-Newsletter Nr. 32, 12/2017

Gesundheitsrecht-Newsletter Nr. 32, 12/2017

1. OGH zur Verantwortungsverteilung bei Behandlungen ohne berufsrechtliche Berechtigung
2. Neu seit August 2017: Ausbildung zum Waldluftbademeister
3. Seit 16. September 2017: Ausübung ärztlicher Tätigkeiten durch Lehrpersonen an Schulen neu geregelt
4. Seit 17. Oktober 2017: Kosmetikherstellung ist ein freies Gewerbe!
5. VwGH zur außergewöhnlichen Belastung bei Bulimie
6. Anti-Doping-Gütesiegel für Fitnesstudios


OGH zur Verantwortungsverteilung bei Behandlungen ohne berufsrechtliche Berechtigung

In der Entscheidung 27.09.2017, 9 Ob 49/17x, ging der OGH am Beispiel einer „Fettweg“Spritze durch eine Kosmetikerin auf die Verantwortungsverteilung bei Behandlungen ohne berufsrechtliche Berechtigung ein.

Die wesentlichsten Grundsätze dabei sind:

Ein Nichtarzt, der eine ärztliche Behandlung vornimmt, muss jedenfalls über das Fehlen seiner ärztlichen Qualifikation aufklären. Ansonsten ist eine allfällige Einwilligung in die Behandlung unwirksam ist (RIS-Justiz RS0026783 [T8]).

Daraus lässt sich jedoch nicht der Umkehrschluss ziehen, dass die Aufklärung über das Fehlen der ärztlichen Qualifikation dazu führt, dass das Risiko einer nicht fachgerechten Leistung ausschließlich beim Vertragspartner liegt. Das wird allenfalls dort anzunehmen sein, wo ausdrücklich auch auf das Fehlen der Fähigkeiten zur Erbringung der Leistung hingewiesen wird.

Das betrifft aber nicht nur die Ausführung, sondern auch die für eine wirksame Einwilligung zur Behandlung erforderliche Aufklärung. Ohne eine ordnungsgemäße Aufklärung liegt aber keine wirksame Einwilligung, sondern vielmehr eine rechtswidrige Körperverletzung vor.

§ 1299 ABGB letzter Satz sieht nun vor, dass demjenigen, der von der Unerfahrenheit des Vertragspartners wusste oder bei gewöhnlicher Aufmerksamkeit hätte wissen können, zugleich ein Versehen zur Last fällt. Der Gläubiger, der sich sorgfaltswidrig auf das Geschäft eingelassen hat, hat sich sein Verhalten als Mitverschulden anrechnen zu lassen. Es kommt zu einer Schadensteilung nach § 1304 ABGB.

Im vorliegenden Fall war der Klägerin bekannt, dass es sich um eine Behandlung handelt, die eine medizinische Ausbildung voraussetzt, über die die Beklagte nicht verfügte. Sie wusste weiters, dass die Behandlung einen körperlichen Eingriff erfordert (bei dem Behandlungstermin wurden an jedem Oberschenkel ca. 15 Stiche gesetzt), der zu einer internen körperlichen Reaktion führen sollte. Auch wenn das Setzen von Spritzen mitunter auch von Laien vorgenommen wird, erfolgt dies üblicherweise nur nach ärztlicher Anordnung oder unter ärztlicher Aufsicht. Aufgrund der Gesamtumstände ist daher davon auszugehen, dass die Klägerin hätte erkennen können, dass die Beklagte als Kosmetikerin nicht über die erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten für eine solche Behandlung verfügt und nicht befähigt ist, die angebotenen Leistungen zu erbringen. Dass sie sich dessen ungeachtet auf die Behandlung eingelassen hat, muss sie sich nach § 1299 ABGB zurechnen lassen.

Wie der Fall ausgegangen ist, kann hier nachgelesen werden:

https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Justiz/JJT_20170927_OGH0002_0090OB00049_17X0000_000/JJT_20170927_OGH0002_0090OB00049_17X0000_000.html


Neu seit August 2017: Ausbildung zum Waldluftbademeister

Die Ausbildung zum/zur Waldluftbademeister/-in startete erstmals im August 2017. Sie umfasst insgesamt 80 Unterrichtseinheiten, welche auf 10 Tage verteilt stattfinden. Für einen positiven Kursabschluss muss jede/r Teilnehmer/in ein umsetzbares Projekt erstellen und vor einer Prüfungskommission präsentieren. Bei einer positiven Beurteilung wird das Diplom "Waldluftbademeister/-in" erreicht.

Ich unterrichte in diesem Lehrgang die rechtlichen Grundlagen, wobei es vor allem um die Rahmenbedingungen für die touristischen Angebote, Haftung, Schadenersatz und Versicherungen geht sowie die Frage „Waldluftbademeister/-in“ – Was darf ich/Was darf ich nicht?“ beantwortet wird.

Weitere Infos erhalten Sie beim Tourismusverband Mühlviertler Kernland und beim Ländlichen Fortbildungsinstitut (LFI):

https://www.muehlviertel.at/index.php?id=13218


Seit 16. September 2017: Ausübung ärztlicher Tätigkeiten durch Lehrpersonen an Schulen neu geregelt

In § 66b SchUG ist nun eine Klarstellung erfolgt, inwieweit Lehrpersonen ärztliche Tätigkeiten übernehmen dürfen. Dadurch, dass solche – gemäß § 50a Ärztegesetz – auf freiwilliger Basis übernommene Tätigkeiten zur Dienstpflicht erhoben wurden, haftet bei dabei erfolgten Schädigungen der Staat als Dienstgeber.

Hier der neue § 66b SchUG:

https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Bundesnormen/NOR40196976/NOR40196976.html

Und hier § 50a Ärztegesetz, der die Übertragung einzelner ärztlicher Tätigkeiten im Einzelfall an Laien regelt:

https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Bundesnormen/NOR40185104/NOR40185104.html



Seit 17. Oktober 2017: Kosmetikherstellung ist ein freies Gewerbe

Durch die Gewerberechtsnovelle 2017 wurde das bisher reglementierte Gewerbe der Herstellung kosmetischer Mittel (§ 94 Z 17 GewO) zu einem freien Gewerbe ohne Befähigungsnachweis.

Gleichzeitig wurde die Zugangsverordnung (BGBl 2003/42), die die fachliche Qualifikation eines Herstellers regelte, ersatzlos aufgehoben. Die neue Regelung ist mit 17.10.2017 in Kraft getreten.


VwGH zur außergewöhnlichen Belastung bei Bulimie

In der Entscheidung 31. Mai 2017, Ro 2015/13/0023-4, befasste sich der VwGH mit der Frage, ob ein Steuerpflichtiger, dem aufgrund seiner Erkrankung an Bulimie ein erhöhter Nahrungsmittelbedarf erwachsen ist, die dadurch verursachen Mehraufwendungen steuerlich als außergewöhnliche Belastung im Sinne des § 34 Abs 1 Einkommensteuergesetz 1988 absetzen kann. Das Bundesfinanzgericht war – entgegen der Ansicht des Finanzamtes – davon ausgegangen, dass der durch Bulimie bedingte Mehrbedarf an Nahrungsmitteln steuerlich als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen ist. Das Finanzamt erhob Revision. Der VwGH teilte die Ansicht des Bundesfinanzgerichtes. Die von der Revision bestrittene Außergewöhnlichkeit des erhöhten Nahrungsbedarfs sei (am Maßstab der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gemessen) jedenfalls gegeben. Auch die in diesem Fall durch ein fachmedizinisches Gutachten belegte krankheitsbedingte Zwangsläufigkeit konnte die Revision nicht in Zweifel ziehen. Ein Fall, in welchem der Steuerpflichtige die geeignete medizinische Behandlung verweigert hätte und die Bulimie durch eine solche Verweigerung der medizinischen Behandlung aufrechterhalten worden wäre, lag nicht vor. Deshalb war die Revision des Finanzamtes vom VwGH als unbegründet abzuweisen.

Hier der Volltext der Entscheidung:

https://www.vwgh.gv.at/rechtsprechung/aktuelle_entscheidungen/2017/ro_2015130023_2.pdf?66fqh5


Anti-Doping-Gütesiegel für Fitnessstudios

Der Fitnesstrend hält an. Österreichs Fitnesscenter verzeichnen steigende Mitgliederzahlen. In den ca. 1.000 öffentlichen Gesundheits und Fitnessstudios trainieren rund 750.000 eingeschriebene Mitglieder.

Auf der Suche nach dem schnellen Erfolg bzw. dem Überschreiten natürlicher Grenzen schrecken manche auch vor Doping und Substanzmissbrauch nicht zurück. Das größte Problem sind Anabolika und Wachstumshormone.

Österreichs Anti-Doping Agentur „NADA Austria“ startete nun eine Informationsoffensive, um Mitglieder, Trainer und Mitarbeiter von Fitnessstudios über Doping und Substanzmissbrauch aufzuklären. Kooperationspartner erhalten das NADA Anti-Doping Gütesiegel.

Kernpunkte sind das klare Bekenntnis zu sauberem, gesundem Sport, verpflichtende Anti-Doping Schulungen und die Absolvierung eines Anti-Doping eLearning-Kurses für Mitarbeiter und Trainer sowie umfassende Informationsmöglichkeiten für die Mitglieder. Alle teilnehmenden Standorte erhalten ein Anti-Doping Gütesiegel, das prominent im Eingangsbereich platziert wird.

Hier der Anti-Doping-Gütesiegel-Folder:

https://www.nada.at/files/doc/Info-Material/Folder-Anti-Doping-Guetesiegel.pdf


Also, bleiben Sie gesund, fit und (gesundheitsrechtlich) informiert…

Mit lieben Grüßen
Wolfgang Stock

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