Gesundheitsrecht-Newsletter Nr. 38, 08/2021

Gesundheitsrecht-Newsletter Nr. 38, 08/2021
Büro für Freizeitrecht
Wolfgang Stock

Newsletter-Inhalt

1) Gesundheitsausbildungsanbieter: Vorsicht vor irreführenden Angaben in Bildungskatalogen

 

2) EuGH: Ein fehlerhafter Gesundheitstipp in einem Druckwerk führt nicht zur Haftung nach dem Produkthaftungsgesetz

 
3) OGH zur Verletzung der vorvertraglichen Aufklärungspflicht bei einer Krankenzusatzversicherung
 
4) Bedeutende Kurstädte Europas zum Welterbe erklärt

 

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1. Gesundheitsausbildungsanbieter: Vorsicht vor irreführenden Angaben in Bildungskatalogen

 

Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) hatte im Jahr 2020 im Auftrag des Sozialministeriums die akademie mea vita gmbh (Vitalakademie), die unterschiedliche Ausbildungen etwa im Ernährungs- und Fitnessbereich anbietet, geklagt. Der VKI beanstandete, dass die Vitalakademie bei ihrem Lehrgang "diplomierter Ernährungstrainer" unzureichend über die Kompetenzen eines Ernährungstrainers aufklärte. Das Oberlandesgericht (OLG) Linz bestätigte eine irreführende Geschäftspraktik. Daneben erklärte das Gericht auch alle 29 vom VKI eingeklagten AGB-Klauseln für gesetzwidrig. Die Vitalakademie bietet österreichweit im Rahmen von Präsenz- und Fernlehrgängen eine Ausbildung zum Ernährungstrainer an. Die Tätigkeit des Ernährungstrainers ist im Unterschied zu der des Ernährungsberaters nicht gesetzlich geregelt. Nach der Judikatur des OGH darf ein Ernährungstrainer nur allgemeines Wissen weitergeben, z.B. in Rahmen von Vorträgen. Die individuelle Beratung in Ernährungsfragen bzw. die persönliche Betreuung ist demgegenüber dem Ernährungsberater vorbehalten, dessen Tätigkeit nur von Ernährungswissenschaftlern und Diätologen ausgeübt werden darf. Über die engen Grenzen der Kompetenzen eines Ernährungstrainers hat die Vitalakademie in ihren Bildungskatalogen und auf der Webseite vor Abschluss des Ausbildungsvertrags nur unzureichend aufgeklärt. Eine ausdrückliche Klarstellung, etwa durch Gegenüberstellung der Tätigkeit eines Ernährungsberaters einerseits und jener eines Ernährungstrainers andererseits, sei nicht erfolgt. Die Vitalakademie habe den Eindruck vermittelt, dass Absolventen des Lehrgangs auch individuelle Arbeiten und Beratungen mit Kunden vornehmen dürften. Dieses Verhalten stellt eine irreführende Geschäftspraktik dar und verstößt daher gegen das Wettbewerbsrecht. Aufgrund dieses Urteils hat die Vitalakademie heuer ihre Ausschreibung um den Passus „ Hinweis: Der Lehrgang berechtigt nicht zur ernährungswissenschaftlichen individuellen Ernährungsberatung gemäß §119 GewO" ergänzt.

 

Überdies ist die Ausbildung zu Tätigkeiten, die durch Gesundheitsberufsgesetze geregelt sind (also nicht nur zum gesamten Beruf) nach dem Ausbildungsvorbehaltsgesetz besonderen Ausbildungseinrichtungen vorbehalten. Das sind diese Berufe:

https://bit.ly/3jnXyTV

 

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2. EuGH: Ein fehlerhafter Gesundheitstipp in einem Druckwerk führt nicht zur Haftung nach dem Produkthaftungsgesetz

 

In einer Entscheidung vom Juni 2021 (EuGH 10.6.2021, C-65/20) hatte der Europäische Gerichtshof einen Fall aus Österreich zu behandeln. Die Vorgeschichte: Die „Kronen-Zeitung" hatte im Dezember 2016 einen Beitrag von "Kräuterpfarrer Benedikt" veröffentlicht. In dem Beitrag empfahl der Pfarrer, Rheumaschmerzen durch eine Auflage aus geriebenem Kren zu lindern. Allerdings war die in dem Beitrag angeführte Dauer für die Auflage unzutreffend. Statt zwei bis fünf Stunden, wie es in dem Beitrag hieß, hätte es zwei bis fünf Minuten heißen müssen. Eine Abonnentin, die die Empfehlung wortwörtlich befolgte, erlitt durch die im Kren enthaltenen scharfen Senföle eine toxische Kontaktreaktion und verlangte Schadensersatz. Der österreichische Oberste Gerichtshof bat den EuGH daraufhin um Klärung, ob in einem solchen Fall eine verschuldensunabhängige Haftung nach der Produkthaftungsrichtlinie in Betracht kommt.

Nun liegt die Entscheidung des EuGH vor: Ein Artikel in einer gedruckten Zeitung, der einen unrichtigen Gesundheitstipp zur Verwendung einer Pflanze erteilt, durch dessen Befolgung eine Leserin an der Gesundheit geschädigt wurde, ist kein fehlerhaftes Produkt im Sinne des Unionsrechts.

 

Näheres:

https://bit.ly/3BirpmT

Mein Fazit: Diese klare Entscheidung kann Autorinnen und Autoren entlasten, sollte aber dennoch nicht zur Sorglosigkeit bei Gesundheitstipps z.B. in Kräuterbroschüren usw. führen.

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3. OGH zur Verletzung der vorvertraglichen Aufklärungspflicht bei einer Krankenzusatzversicherung

 

Der Sachverhalt: Die Klägerin erlitt eine Totgeburt, woraufhin sie die Diagnose Antiphospholisyndrom mit der damit verbundenen Notwendigkeit erhielt, bei weiteren Schwangerschaften Thrombosespritzen und Blutverdünnungsmittel nehmen zu müssen. Eine entsprechende Behandlung erfolgte bei einer späteren Schwangerschaft. Im Zuge eines danach gestellten Antrags auf Abschluss einer Krankenzusatzversicherung verschwieg die Klägerin auf die Frage nach in den letzten 5 Jahren ambulant behandelten und unbehandelten Krankheiten, Verletzungen, Beschwerden und Anomalien die ihr gegenüber ausdrücklich gestellte Diagnose. Die Frage nach schwerwiegenden Krankheiten u.a. des Blutes verneinte sie. Das beklagte Versicherungsunternehmen erklärte, gestützt auf § 16 VersVG (dem Art 11 AVB 1995 in der Fassung Juli 2012 entspricht), den Rücktritt vom Vertrag. Nachträglich stellte sich heraus, dass bei der Klägerin das Antiphospholisyndrom nicht vorgelegen hatte. Die Klägerin begehrt die Feststellung des Weiterbestehens des Versicherungsvertrags. Das Berufungsgericht bejahte die Wirksamkeit des Rücktritts und wies das Klagebegehen ab.

 

Die Entscheidung des OGH: Der Oberste Gerichtshof teilte diese Rechtsansicht. § 16 Abs 1 VersVG knüpft an die Kenntnis des Versicherungsnehmers von einem Gefahrenumstand zum Zeitpunkt der Beantwortung der Antragsfragen an. Hatte der Versicherungsnehmer zu diesem Zeitpunkt aufgrund der ihm offenbarten ärztlichen Einschätzungen Kenntnis von einem nachgefragten gefahrenerheblichen Umstand, so hat er ihn auch anzuzeigen. Wird daher nach einer Erkrankung gefragt, ist auch eine zu diesem Zeitpunkt bestehende dem Versicherungsnehmer diagnostizierte Erkrankung anzugeben, selbst wenn sich die Diagnose später als unrichtig herausstellen sollte. Die Klägerin verschwieg wesentliche Umstände, indem sie weder die ihr gegenüber ausdrücklich gestellte Diagnose, noch ihre daraufhin auch tatsächlich erfolgten Behandlungen (Thrombosespritzen, Blutverdünner) angab. Der von der Beklagten aufgrund der Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten erklärte Rücktritt ist wirksam.

 

Die Entscheidung vom 23.06.2021, 7Ob91/21i, hier im Volltext:

https://bit.ly/3sUzR8W

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4. Bedeutende Kurstädte Europas zum Welterbe erklärt

 

Das UNESCO-Welterbekomitee hat am 24. Juli 2021 beschlossen, die „Bedeutenden Kurstädte Europas", darunter auch Baden bei Wien, in die Welterbeliste aufzunehmen. Baden zählt somit zu den insgesamt elf ausgezeichneten Städten in sieben Ländern, in denen geschlossene architektonische Ensembles bis heute von der Bäderkultur zeugen. Der Antrag wurde von Deutschland gemeinsam mit Belgien, Frankreich, Großbritannien, Italien, Österreich und Tschechien erarbeitet. Die weiteren prädikatisierten Kurstädte sind Spa in Belgien, das französische Vichy, Bath im Westen Englands, Montecatini Terme in der Toskana, Karlovy Vary, Františkovy Lázně und Mariánské Lázně im böhmischen Bäderdreieck, und die deutschen Orte Baden-Baden, Bad Ems und Bad Kissingen.

 

Die Kernzone in Baden umfasst die durch die Kurtradition geprägten Teile der Altstadt mit den ehemaligen historischen Bädern (u.a. Josefsbad, Franzensbad, Frauenbad), dem Ensemble Kurhaus und Kurpark, Hotelanlagen. Sommerarena, Stadtheater und Musikpavillion und erstreckt sich über den bedeutenden Villengürtel bis in den östlichen Eingang des Helenentales.

 

Mein Fazit: Die UNESCO-Auszeichnung gibt der in den letzten Jahren etwas in Verruf geratenen Kur(tradition) samt dem Kurtourismus wohl einen neuen Auftrieb.

Näheres hier:

https://bit.ly/3ypKX6M

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In der Hoffnung, ab jetzt wieder mehr "corona-freie" Gesundheitsrechtsinformationen (Corona-Updates siehe https://bit.ly/2Y4aAOi) liefern zu können, verbleibe ich
mit lieben Grüßen
Wolfgang Stock
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Dr. Wolfgang Stock, Am Sonnenhang 35, 8072 Fernitz-Mellach


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